Tausende Ereignisse passieren täglich  um uns herum - tragische, komische, wichtige, alltägliche, gravierende,  historische, politische, private oder sozial bedeutende. Von manchen sind wir  selbst Zeitzeugen, über andere erfahren wir aus den Medien, von weiteren  erzählen uns Freunde oder Verwandte. Einige Ereignisse gehen an uns vorbei,  unbemerkt und ohne uns zu beeinflussen, andere nehmen unsere Aufmerksamkeit für  lange Zeit in Anspruch, an weiteren nehmen wir unmittelbar teil, und wieder  andere haben für uns schicksalhafte und maßgebende Bedeutung. Aus den  Ereignissen formt sich der Tag, das Jahr, das Leben.
      Und bei all diesem Geschehen ist immer  jemand mit der Kamera dabei, der ununterbrochen alles festhält. Das sind sowohl  professionelle Foto- oder Videoreporter, als auch gewöhnliche Leute mit ihrem  Smartphone. Ihre Berichterstattungsehen wir täglich in den Medien, im Internet,  in den sozialen Netzen, in unseren E-Mails oder auf unseren Handys. Aber was  spielt sich um das Geschehen herum ab? Wer steht in der Nähe, wer schaut zu,  wer ist vorbeigegangen ohne etwas zu bemerken, wer hat sich dazugesellt, wer  will mitten im Gedränge dabeisein? Genau auf solche Fragen sollen die  Teilnehmer des Projekts "Dem Ereignis den Rücken kehren" antworten.  Ihre Fotoerzählung hält nicht das Ereignis fest, sondern die Reaktion  derjenigen, die zufällig in der Nähe sind. Sie widmet sich der Resonanz des  Geschehenen auf uns, der Widerspiegelung in uns.
      Das Hauptziel des Projekts ist die  Lösung des aktuellen Problems der Erziehung Heranwachsender im Geiste der  Toleranz, der Freundschaft und der Versöhnung; des Problems, das von den  beunruhigenden Veränderungen in der modernen Gesellschaft ausgeht. Das Problem  ist der Anstieg der Illoyalität, der Intoleranz, der Verbitterung, der  Konflikte und der Aggressionen. Deswegen ist die Herausbildung toleranten  Bewusstseins und Benehmens, die Erziehung zur Friedfertigkeit eine wichtige  Angelegenheit, die man durch verschiedene Mittel erzielen kann, zum Beispiel  durch gemeinsames Schaffen, durch kulturellen Austausch, durch die Kunst. Die  Verschiedenheit der Teilnehmer, das Kennenlernen ihrer individuellen  Eigenschaften, Ansichten, Charaktere während der Zusammenarbeit am gemeinsamen  Projekt, an kreativen Aufgaben, die Neugier und das Mitgefühl mit dem  Geschehen, der Versuch in sich den Künstler zu entdecken - das alles erzieht  zur Toleranz, zu Respekt gegenüber anderen Ansichten, zur Großzügigkeit. Die  von den Organisatoren des Projekts verfolgten Erziehungsziele sind: die  üblichen Klischees überwinden, die Welt von einer anderen Perspektive aus  betrachten, verstehen und sehen lernen.
      Die Gruppe wird aus jungen Leuten  verschiedener sozialer Schichten, Nationalitäten und Konfessionen gebildet. Wir  möchten die Schüler aus Haupt-, Real-, Gesamtschulen und aus Gymnasien  einbeziehen. Es sollen Kinder aus verschiedenen Stadtbezirken und von  unterschiedlichem Wohlstandsniveau sein. Wir wollen in unserem Projekt Kinder  mit Migrationshintergrund sowie deutsche Jigendliche zusammenbringen, für die  ihre professionelle, soziale, bürgerliche Zukunft von Bedeutung ist. Dadurch, dass der Verein "kreativallianz e.V." von  Migranten organisiert wird und das folgende Projekt sich speziell auf Kinder  und Jugendliche mit Migrationshintergrund bezieht, finden wir, dass wir bessere  Möglichkeiten haben die sozialen Gruppen zu erreichen, an die der Staat und  andere derartige Projekte nicht so einfach herankommen. Wir wollen, dass an  unserem Projekt so viele Teilnehmer wie möglich aus solchen sozialen Gruppen  teilnehmen. 60% der Beteiligten werden aus Familien von Sozialhilfeempfängern  kommen, 20% sollen Kinder und Jugendliche mit psychischen Behinderungen sein  oder solche, die Probleme mit ihrer sozialen Orientierung haben und 20% weitere  Kinder und Jugendliche, die Interesse an derartigen Projekten haben.
      Ein weiteres wichtiges Ziel des  Projekts ist, den jungen Leuten das Beobachten des Lebens zu vermitteln, die  Möglichkeit, im Alltäglichen das Interessante und Aufregende zu bemerken, es  hervorzuheben und als Bild festzuhalten. Wir sind gewohnt, das Smartphone bei  jeder Gelegenheit herauszunehmen und auf die Kamera zu drücken: sei es ein  komischer Mitmensch, ein niedliches Kätzchen, das lustige Gesicht eines Kindes,  Straßenunruhen, Brand, Unfall, das Treffen mit Freunden, eine Party und so  weiter und so fort. Aber wir schlagen den Teilnehmern vor, dem Geschehen den  Rücken zu kehren und zu schauen, wie das Umfeld darauf reagiert. Sind sie  berührt, betrübt, erfreut, beängstigt oder gleichgültig? Was steht auf ihren  Gesichten geschrieben? Was haben sie gesehen? Wie haben sie reagiert?
      Die jugendlichen Teilnehmer des  Projekts werden sich in dessen Verlauf mit der Reportage beschäftigen. Das  Reportagefoto ist eine der gefragtesten Richtungen in der modernen Fotografie.  Das englische Wort "report" bedeutet "Bericht" oder  "Mitteilung" (das lateinische Wort "reportare" bedeutet  "berichten", "melden"); und das ist auch das Hauptziel  dieser Aktion: den Leuten mit Hilfe der Fotografie etwas mitzuteilen. Eine der  wesentlichen Eigenschaften des Reportagefotos ist seine Ehrlichkeit. Vielleicht  ruft gerade dies das Interesse und den Respekt des Zuschauers hervor. Die  soziale Rolle des Reportagefotos ist kaum zu überschätzen. Nur ein Blick auf  das Foto der Pilzwolke der Kernexplosion oder die Folgen des Tsunamis in  Ostasien vermittelt uns viel mehr als Tausende Worte und Kommentare. 
      Wie die radioaktive Strahlung aussieht, die keinen Geschmack,  keine Farbe hat und lautlos ist, erfahren wir vom Foto eines erschrockenen  japanisches Mädchen nach der Katastrophe im Kernkraftwerk in Japan; Die  Schönheit der Musik von Bach erkennen wir beim Anblick der Gesichter der  Zuhörer, die kindliche Kreativität an den begeisterten Gesichtern der kleinen  Künstler. Wenn die Jugendlichen sich mit dem Reportagefoto beschäftigen, werden  sie selbst am Geschehen teilnehmen - sie beobachten, fühlen mit, erzählen. Das  macht sie zum Teil des Ereignisses, erfordert eine Stellungnahme, lässt nicht  gleichgültig. Und das ist auch ein wesentlicher Aspekt der sozialen Erziehung  und Bildung des jungen Menschen als Persönlichkeit. 
      Bei dem Reportagefoto soll man im  Unterschied zum inszenierten Bild die Entwicklung der Ereignisse und die  Deutung des Geschehens durch den Autor verstehen. Das Reportagefoto ist  Bewegung. Sogar bewegungslose Teilnehmer sind von der Dynamik geprägt. Junge  Leute sollen lernen, das durch die Fotografie wiederzugeben. Solche Aufnahmen  sind eine besondere Art der Fotografie, die Landschafts-, Porträt-, Alltags-  und andere Fotogenres vereint. Alle diese Genres sollen die Teilnehmer im Laufe  des Projekts kennenlernen. Durch verschiedene Projektschritte und -bestandteile  werden die Jugendlichen in ihrem künstlerischen Denken und ihrer Kreativität  gestärkt, mit unterschiedlichen Konzeptionen und Umsetzungsmöglichkeiten  auseinandergesetzt, das Rhythmusgefühl entwickelt und gestärkt sowie technische  und praxisbezogene Kenntnisse im Bereich der Fotografie vermittelt. 
      Das Reportagefoto hat eine  begrenzende Besonderheit - der Reporter soll die vorhandene Bedingungen nutzen  und binnen denen ein dynamisches und für den Betrachter interessantes Bild zu  schaffen. Die Aufgabe des Fotoreporters ist ein interessantes Einzelbild  rechtzeitig zu erblicken oder zu erahnen und darauf mit einem Knopfdruck zu  reagieren, dabei soll er das korrekt, mit Rücksicht auf das Hinterbild, das  Licht und die Komposition zu machen. Erst dann entsteht ein Reportagefoto, das  das Gefühl und das Flair des Ereignisses wiedergibt. Den entscheidenden Moment  zu erfassen - das ist das Ziel einer Reportage und die Projektteilnehmer sollen  Achtsamkeit, kreatives Denken, Reaktion erlernen. Die Projektteilnehmer sollen  erlernen, wie man bei dem Licht-, Zeit- und Vorbereitungsmangel auf der Straße,  bei unterschiedlichen Tageszeiten und Witterungsverhältnissen die Bilder  schafft, die von emotionellen und inhaltlichen Reichtum gekennzeichnet sind.  Sie werden das Stadtleben, seine erwartete und ungeplante Ereignisse  beobachten, werden lernen aufmerksam zu sein, schnell zu reagieren, die  Situation einzuschätzen, das Geschehene durch die Kamera zu betrachten, und die  uns umgebende doch von uns nicht wahrgenommene Realität zu betrachten, sowie  auch ihre eigene Meinung auf das Geschehene zu formulieren, in eigener Sprache  davon zu berichten, eigene Stellung zu übermitteln, eigene Individualität,  eigenen Charakter, eigenes Denken zu demonstrieren.
      Das Projekt besteht aus zwei Teilen:  einem theoretischen und einem praktischen. Nach dem Kennenlernen der großen  Meister der Fotografie im Allgemeinen und des Reportagefotos im Besonderen,  nach dem Erlernen technischer Kompetenzen und Kompositionsgesetze während der  theoretischen Übungen und Vorlesungen sollen die jungen Leute ihre Kenntnisse  praktisch umsetzen. Die Teilnehmer werden sowohl selbstständig arbeiten, als  auch unter der Leitung und mit Beratung durch die Dozenten. Als Ergebnis soll  eine Erzählung des Ereignisses entstehen, eine Dokumentation mit Hilfe der  modernen Möglichkeiten der Fotografie, die die Stimmung überträgt. Dabei  erzählt es laut Konzept nicht von dem Ereignis, sondern davon, was um dieses  herum geschieht - "Dem Ereignis den Rücken kehren".
      Das Projekt "Dem Ereignis den  Rücken kehren" ist sozial und künstlerisch geprägt. Einerseits sollen die  Teilnehmer ständig mitten im Geshehen sein, auf die Situationen reagieren,  eigene Stellungnahme und Deutung des Ereignisses demonstrieren und andererseits  davon in künstlerischer Sprache erzählen, ein ausdrucksvolles und lebhaftes  Bild, eine interessante Fotografie schaffen.
      Die Konzeption des Projekts"Dem  Ereignis den Rücken kehren" beinhaltet einen Workshop-Zyklus, der nach  thematischen Schwerpunkten aufgebaut ist. Zusätzlich möchten wir Exkursionen  und Ausflüge zu den verschiedenen Themenschwerpunkten sowie Museumsbesuche  anbieten. In Rahmen des Projektes sollen auch zwei Elternveranstaltungen  stattfinden.
      Im Laufe des Projekts sollen auch  digitale und interaktive Medien sowie soziale Netzwerke von den Jugendlichen  aktiv genutzt werden, um das Projekt über die lokalen Grenzen hinaus bekannt zu  machen.
      Am Ende des Projekts soll eine große  Fotoausstellung stattfinden, die von den Teilnehmern selbst vorbereitet wird.  Unter der Leitung der Dozenten werden die Jugendlichen die Fotos auswählen,  bearbeiten und gestalten und einen Ausstellungsraum konzipieren. Dieses  Vorgehen hilft den Teilnehmern ihre eigene Arbeit besser zu analysieren.
    Dieses Projekt wird vom Verein zum  ersten Mal veranstaltet. Das Programm der Veranstaltungen wurde speziell für  dieses Projekt entwickelt. Alle Aktionen finden außerhalb der Schulzeit statt  (an Wochenenden oder nach Unterrichtsschluss).